Unser Land

    Du hast mich an der Hand genommen
    und in ein längst vergeß'nes Land geführt.
    Ein Land, in dem die Kinder Burgen bauen,
    in dem ein Kater sich zusammenrollt
    und in die Frühlingssonne blinzelt.
    Ein Land, in dem man langsam geht,
    um keine Blume zu zertreten.
    Ein Land, in dem das Schicksal
    eines Käfers wichtig ist,
    der hilflos auf dem Rücken liegt.

    Dort brennt am Ufer in der Nacht ein Feuer.
    Es knackt und knistert.
    Und es weht uns ab und zu
    den Duft verbrannten Holzes ins Gesicht.
    Und in der Morgenfrische spielen
    die kleinen Wellen,
    die der See ans Ufer schickt,
    mit unsern Füßen.
    Es ist ein Land, in dem das trockne Wintergras
    nach Frühling riecht -
    ein Land, wo Schmerz und Glück
    so dicht beisammenwohnen,
    daß du sie fast als eins empfindest.
    Ein Land, in dem du ganz dicht bei mir bist
    und deine kleine Hand in meine große Hand legst.

    Ich denke manchmal an den Tag,
    an dem du deine Hand aus meiner lösen wirst.
    Du wirst mir noch einmal zulächeln
    und leise gehn.
    Und ich werde auf einem Stein sitzen
    und dir nachschauen.
    Du wirst mir sagen, ich soll bleiben,
    soll an das Feuer und den Frühling denken.
    Doch du wirst all das mit dir nehmen.
    Denn unser Land ist nur,
    soweit dein Zauber reicht.
    Das Wintergras -
    es wird zerfurcht von Autobahnen.
    Und Uhren ticken, Telefone schrillen.
    Ein Mann, der grade vom Diskontsatz spricht,
    wird achtlos seinen Fuß auf unsern Käfer setzen.
    Und wenn ich meine Hand ausstrecke,
    bleibt sie leer.

    Verzeih mir, wenn ich deine Hand
    manchmal so fest in meiner halte, daß es wehtut.
     

    Text: Peter Hohl
     
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    Letzte Änderung: 1.1.2000
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